Sag mir, wie du heißt, und ich sag dir, wer du bist. Diesen Satz hat sicher jeder schon einmal gehört. Doch über dessen Relevanz haben wir uns noch nie so viele Gedanken gemacht, wie in der letzten Zeit. Ein Name gibt seinem Träger einen Charakter, sagt viel über sein Wesen und sein Schicksal aus. Ein Name ist aber noch viel mehr als das. Jeder Name trägt seine eigene verborgene Botschaft. Bis plötzlich jemand vor einem liegt. Ein Körper, dessen Namen uns verborgen geblieben ist.
Liebe Angehörige, Kommilitonen, liebe Damen und Herren,
Wir haben uns heute zu einem sehr besonderen Anlass, der Aussegnungsfeier für die Körperspenderinnen und Körperspender, versammelt.
„Die Erinnerung ist das Licht, welches leuchtet, wärmt und tröstet.“
Dieser Gedanke leitet uns durch die heutige Feier und das anschließende Beisammensein.
Und wie das Licht verschiedenste Menschen zusammenbringt, gestalten wir diese Aussegnungsfeier so, dass sie uns alle zusammenführt und mit Zuversicht und Verbundenheit erfüllt.
Denn unterschiedlicher könnten wir wohl kaum sein – einander so fremd und doch durch das Geschenk der Körperspende vereint.
Mit diesem Gedanken möchten wir den Menschen, die ihren Körper gespendet haben, danken und in Würde von ihnen Abschied nehmen.
Uns ist bewusst, dass Trauer und Abschiednehmen sehr individuelle Prozesse sind und jeder von Ihnen unterschiedlich mit dieser doch sehr außergewöhnlichen Situation umgeht.
Einige von Ihnen mögen vielleicht im Einverständnis mit dem Wunsch Ihres Nächsten gewesen sein; Andere haben vielleicht damit gehadert.
Deshalb möchten wir unseren Dank auch an Sie richten. An die Menschen, die denen, denen unser Dank gebührt am nächsten standen. Dafür, dass sie die Entscheidung ihrer Angehörigen akzeptiert und respektiert haben, für das Vertrauen, dass sie uns entgegengebracht haben und für ihr heutiges Kommen.
Gemeinsam möchten wir den Verstorbenen gedenken und unseren Dank und Respekt gegenüber ihrem Mut zur Körperspende aussprechen.
Es gibt viele Gründe, weshalb wir Studierende dankbar sind. Im Zentrum dessen steht die Frage: “Was motiviert einen Menschen dazu, den eigenen Körper zu spenden? “
Die Entscheidung zur Körperspende ist ein Entschluss, der bereits zu Lebzeiten endgültig getroffen wurde.
Für diese Entscheidung benötigt es vor allem ein großes Maß an Mut. Den Mut, sich schon während des Lebens über den eigenen Tod Gedanken zu machen. Aber auch die Courage und Weitsicht, sich mit der Frage zu beschäftigen: „Was passiert mit mir und meinem Körper, wenn ich tot bin?”
Bei dieser Entscheidung kann man schließlich keine Kompromisse eingehen. Der ganze Körper, in seiner gesamten Schönheit, aber auch mit den eigenen individuellen Makeln oder Unsicherheiten wird anderen zur Verfügung gestellt, damit sie daran lernen können.
Die Körperspende ist das größte Geschenk, das ein Mensch uns Medizinstudierenden geben kann. Am Körperspender zu lernen, bedeutet für uns die Möglichkeit, die Anatomie des Menschen zu verstehen und darüber hinaus zu sehen, was es heißt, mutig und selbstlos zu sein.
Wie gehen wir Studierende nun mit diesem Geschenk um? Welche Perspektive nehmen wir in dieser Situation ein?
In unserem Studium gibt es viele Menschen und Phasen, die uns besonders prägen. Während der Zeit vor Weihnachten haben wir erfahren, welche intensive Zeit der Präparier-Kurs für uns darstellt. Eine Zeit, an die wir uns definitiv noch sehr lange erinnern werden. In der Vorklinik steht man in der Regel vor einem immensen Berg an theoretischem Wissen. Der Präparier-Kurs war für die meisten von uns die erste Möglichkeit, dieses theoretische Wissen anzuwenden, sowie die erste Möglichkeit, die Komplexität und Schönheit des menschlichen Körpers zu verstehen.
Stellen Sie sich vor: Sie sind als Student im ersten Semester von einer Neugier ergriffen, die sehr schwer in Worte zu fassen ist. “Wie ist der menschliche Körper aufgebaut? Wie funktioniert dieses Organ?” Vielleicht auch “Wie ist es an einem echten Körper zu lernen?”. Daraufhin entwickelt sich diese Neugier weiter in einen Wissensdurst: Man wird von einer Faszination ergriffen, spätestens wenn man das erste Mal ganz aus der Nähe ein Herz betrachtet, von dem man weiß, dass es ein Leben lang geschlagen hat.
Diese Art des Lernens ist einzigartig und unersetzbar.
Denn sie liefert uns letztendlich 2 Möglichkeiten zur Weiterentwicklung: Zum einen, bekommen wir die Möglichkeit, unsere fachliche Kompetenz weiterzuentwickeln. Denn die Anatomie ist der Bauplan des menschlichen Körpers. Diesen Bauplan anhand eines echten Modells zu verinnerlichen, ermöglicht erst ein verantwortungsvolles ärztliches Handeln und eine patientenwürdige Therapie.
Zum anderen gibt die Körperspende uns die Möglichkeit zum Erlernen einer wichtigen Kompetenz für unsere spätere Tätigkeit als Medizinerinnen und Mediziner, nämlich die professionelle Distanz. Sie ist wichtig, um den Patienten eine gute Behandlung zu ermöglichen.
Im selben Zuge kommt es für eine gute Behandlung auch darauf an, den Menschen hinter dem Patienten emotional zu verstehen – mitsamt seinen Wünschen und Bedürfnissen.
Und diese langfristige Perspektive des Präpkurses steht im Mittelpunkt: Hoffentlich werde ich ein guter Arzt. Denn unser Anspruch an uns selbst muss es sein, dass wir die Gesundheit und das Leben unserer Mitmenschen bewahren. In diesem Sinne durften wir durch den Präparier Kurs tatsächlich für „das Leben“ lernen.
„Die Erinnerung ist das Licht, welches leuchtet, wärmt und tröstet.“
Wir wünschen Ihnen, dass die Erinnerungen an Ihre Nächsten leuchtender Natur sind; dass die Gedanken an sie wärmen und trösten.
Uns haben ihre Angehörigen in dem Sinne inspiriert, dass Sie für uns zu einem Licht der Erkenntnis geworden sind.
Dafür sind wir Ihnen in hoher Anerkennung verbunden und sprechen Ihnen unseren Dank aus.
Dankeschön.
Hannah Deutschmann, Laura Tufekcic, Quirin Öttl, Hannes Jägle, Emanuel Rau, Lovis Weyergraf und Jakob Bohn