AG Neckel

Wie funktioniert das Enterische Nervensystem?

Der Schwerpunkt unserer Arbeit liegt auf dem Verständnis der Funktionsweise des enterischen Nervensystems (ENS). Das ENS ist neben dem Gehirn das größte und wohl komplexeste neuronale Netzwerk im Körper. Mit etwa 500 Millionen Neuronen und vier- bis zehnmal so vielen enterischen Gliazellen bildet es Ganglien, welche innerhalb Darmwand zu komplizierten Netzwerken, enterischen Plexus, verschaltet sind. Diese Plexus weisen eine bemerkenswerte histoarchitektonische Komplexität auf und können viele lebenswichtige Darmfunktionen autonom regulieren – selbst wenn das Organ vom Rest des Körpers getrennt ist. Daher wird das ENS oft als Darmgehirn oder zweites Gehirn bezeichnet.

Unser aktuelles Interesse konzentriert sich auf die Entschlüsselung molekularer Signale und der interzellulären Kommunikation, die die zelluläre Homöostase und die Entwicklung des ENS im postnatalen Leben steuern. Daher arbeiten wir mit murinen Reportermodellen sowie menschlichen Patienten- und Körperspenderproben, um den Einfluss von Morphogenen wie Wnt, R-Spondin, Dkk oder Matrixmolekülen auf die Proliferationskapazität und neuronale Differenzierung von ENS-Vorläuferzellen zu untersuchen. Darüber hinaus analysieren wir das Expressionsmuster von Differenzierungs- und Funktionsmarkern in Patientenproben, um unser Verständnis der pathomechanistischen Grundlagen enterischer Neuropathien wie Morbus Hirschsprung oder Gastroschisis-bedingter Motilitätsstörungen zu verbessern.

Ansprechpartner

Dr. rer. nat. Peter Neckel

Arbeitsgruppenleiter | Leiter der Prosektur

Zentrale Methoden der Arbeitsgruppe

Zellkultur primärer ENS Zellen aus Mäusen und Menschen, Organotypische Kultursysteme, Proliferations- und Neurogeneseanalysen, Immunfluoreszenzfärbungen, Gewebeklärung (tissue clearing).

Zukünftige Ausrichtung der Arbeitsgruppe

Wnt/R-Spondin/LGR – Molekulare Signalwege bei der Regulation von ENS-Progenitorzellen

In laufenden und zukünftigen Projekten arbeiten wir an der Beteiligung des Wnt-abhängigen Regulationsnetzwerkes an Proliferation und neuronaler Differenzierung enterischer neuronaler Vorläuferzellen, insbesondere im postnatalen ENS. Wir fanden bereits heraus, dass die Aktivierung des kanonischen Wnt-Signalwegs die Anzahl neugenerierter Neurone in In-vitro-Kulturen muriner und menschlicher ENS-Vorläuferzellen signifikant erhöht. Genomweite Genexpressionsanalysen ergaben außerdem, dass der kanonische Wnt-Signalweg an der Umstellung von ENS-Vorläuferzellen von proliferativen Programmen auf Differenzierung beteiligt ist. In aktuellen Experimenten untersuchen wir die Rolle von R-Spondinen, Wnt-Aktivatoren, die für ihr regulatorisches Profil in anderen Stammzellkompartimenten bekannt sind, bei der cell-fate– Entscheidung von ENS-Vorläuferzellen.

Neurogenese und das alternde ENS

Obwohl das Regenerationspotenzial des ENS in vivo sehr begrenzt ist, behält eine Subpopulation von ENS-Zellen das Potenzial, sich zu vermehren und neue Neurone zu bilden. Diese ENS-Vorläufer können selbst im hohen Alter noch aus dem Darm von Mäusen und Menschen isoliert werden und weisen in vitro ein erstaunliches neurogenes Potenzial auf. In laufenden Experimenten wollen wir das proliferative und neurogene Potenzial von ENS-Vorläufern kartieren und altersbedingte Veränderungen bewerten. Darüber hinaus sammeln und analysieren wir menschliche Darmproben von pädiatrischen, jugendlichen, erwachsenen und älteren Patienten sowie postmortale Proben von Körperspendern, um Veränderungen des alternden ENS beim Menschen zu erforschen.

Mechanotransduktion und Homöostase im ENS

Das enterische Nervensystem ist in ständiger Bewegung. Die Darmperistaltik komprimiert und dehnt die Darmganglien permanent und übt enorme mechanische Kräfte auf Neuronen und Gliazellen aus. In diesem zukünftigen Projekt wollen wir erforschen, wie ENS-Zellen mechanische Stimulation wahrnehmen und darauf reagieren. Mithilfe verschiedener passiver und aktiver mechanischer Signale wollen wir die molekularen Signalwege, wie beispielsweise die Hippo-YAP/TAZ-Kaskade, die an der Mechanotransduktion beteiligt sind, aufklären. Darüber hinaus wollen wir herausfinden, wie die Darmmotilität die Homöostase und Funktion des ENS beeinflusst.

Ausgewählte Publikationen

Ein vollständiges Publikationsverzeichnis finden Sie unter hier.

  • M Scharr, S Scherer, B Hirt, PH Neckel. Dickkopf1 induces enteric neurogenesis and gliogenesis in vitro if apoptosis is evaded. Commun Biol. 2023 Aug 2;6(1):808. DOI: 10.1038/s42003-023-05072-x.
  • Y Zhang, K Seid, F Obermayr, L Just, PH Neckel. Activation of Wnt Signaling Increases Numbers of Enteric Neurons Derived From Neonatal Mouse and Human Progenitor Cells. Gastroenterology. 2017 153:154-165 e159. DOI: 10.1053/j.gastro.2017.03.019
  • PH Neckel, M Scharr, K Seid, K Nothelfer, J Fuchs, F Obermayr, B Hirt, SM Huber, L Just. Wnt receptor Frizzled-4 as a marker for isolation of enteric neural progenitors in human children. Cells. 2019, 8(8), 792. DOI: 10.3390/cells8080792
  • PH Neckel, U Mattheus, B Hirt, L Just, AF Mack. Large-scale tissue clearing (PACT): Technical evaluation and new perspectives in immunofluorescence, histology, and ultrastructure. Sci Rep. 2016 Sep 29;6:34331. DOI: 10.1038/srep34331
  • F Deffner, M Scharr, S Klingenstein, M Klingenstein, A Milazzo, S Scherer, A Wagner, B Hirt, AF Mack, PH Neckel. Histological evidence for the enteric nervous system and the choroid plexus as alternative routes of neuroinvasion by SARS-CoV2. Front. Neuroanat. 2020 Oct 6;14:596439.  DOI: 10.3389/fnana.2020.596439

AG-Mitglieder

Dr. rer. nat. Peter Neckel

Arbeitsgruppenleiter | Leiter der Prosektur

Dr. Simon Scherer

Clinician Scientist

Jon Nicola van den Beld

Medizinischer Doktorand | Stipendiat IZKF-Promotionskolleg

Melanie Scharr, M. Sc.

Naturwissenschaftliche Doktorandin

Nicole Schlecht

Medizinische Doktorandin | Stipendiatin IZKF-Promotionskolleg

Sophia Ritter

Medizinische Doktorandin | Stipendiatin IZKF-Promotionskolleg

Wir bei Social Media

Folgen Sie uns auf Twitter/X:

@NeckelLab

Stellenangebote